Rayk Schwenzer bei IRONMAN-WM 2021 in St. George, Utah am Start

 

© Foto: R. Schwenzer

© Text: R. Schwenzer

 

Hart und toll!

 

Am 07.05.2022 traf sich die (nicht verletzte, erkrankte oder sonstwie abwesende ;-)) IRONMAN-Elite in St. George im südlichen Utah, 2 Autostunden nordöstlich von Las Vegas, um nach 2,5 Jahren die im Herbst 2021 erneut ausgefallene WM auf Hawaii nachzuholen und wieder ihre Weltmeister*innen über die Langdistanz zu ermitteln. Die Titel bei den Profis gingen dabei wieder nach Europa, bei den Damen das 5. Mal an Daniela Ryf aus der Schweiz und bei den Herren erstmals den den amtierenden Olympiasieger und Kurzdistanzweltmeister Kristian Blummenfelt aus Norwegen.

 

Als 2021-IRONMAN-Gold-AWA (All Worlds-Athlete) war ich ebenfalls für die Agegrouper-WM qualifiziert und zögerte nur kurz die Qualifikation anzunehmen, als ich erstmals das Streckenprofil sah... Und tatsächlich sollte es ein ziemlich langer Tag werden, inklusive Überstunden auf der Strecke, aber darauf war ich mental eingestellt, das war auch wichtig ;-), zumal ich mich allgemein ob der heißen Tage und schlechtem Schlaf in den Tagen zuvor am Wettkampftag nicht sonderlich toll drauf fühlte.

 

Aufgestanden bin ich bereits um 3 Uhr, weil die Shuttle-Busse die Athleten altersklassenweise ab 3.45 Uhr zum etwa 25km entfernen Sand-Hallow-Reservoir zum Schwimmstart brachten. IRONMAN hatte meine AK als erste Startwelle festgelegt mit Start um 6:45 Uhr... So hatte ich über 2 Stunden für die letzten Vorbereitungen...

 

Der Sonnenaufgang war gegen 6:15 Uhr und es erwachte eine traumhafte und malerische Kulisse mit den roten, kargen Wüstenbergen und dem klaren blauen, fast schon als Fata Morgana in der Wüste anmutenden See mit einer angenehm kühlen Wassertemperatur von 17 Grad.

 

Die letzten Minuten vor dem Start hat IRONMAN wieder für Gänsehaut, Innehalten und Konzentration mit Musik, hawaiianischen Klängen und Kona-Bräuchen inszeniert und zelebriert. Klasse, sowas bleibt für die Erinnerung hängen.

 

AK-Geordnet und langsam gings dann zum Wasser zum Start, Countdown, Kanonenschuss und dann mit Wellenstarts mit 10 Athleten alle 10 Sekunden ins Wasser.

 

Das Schwimmen begann trotz der Wellenstarts mit für mich seltenem Gewimmel mit anderen Athleten. Ist halt WM mit vielen guten Schwimmern... Nach ca. 400m hatte ich meine Gruppe gefunden und bin gut mitgepaddelt, wobei ich die Gruppe auf dem langen Rückweg gegen die Sonne verlor (oder war sie nur neben oder hinter mit ??) und Mühe hatte die (großen) Bojen zu sehen. Es ging trotzdem und immer "easy, nur nicht übertreiben, da kommt noch was heute...". 

 

Zum Schluss noch ein paar Athleten überholt, Wechselzelt, Rad in der Riesenwechselzone finden und los, glücklicherweise anfangs ohne Wind und noch mit ca. 20 Grad angenehm. Der Kurs war auch auf den ersten 100km nicht flach (das Höhenprofil ließ anderes hoffen...), es ging gut und länger hoch, aber es waren auch schöne Abfahrten dabei.

Die ersten 90km liefen auch ordentlich, ich konnte mich gut kühlen und verpflegen und hab versucht auch hier nicht zu überziehen. Nach und nach wurde es wärmer und heißer, Wind kam auf und die Kräfte ließen wegen der bereits bewältigten, für mich ungewohnten Anstiege im ersten der beiden ernsthaftenlangen Anstiegen nach etwa 100km merklich nach, also: Watt raus, Tempo raus, easy, sonst wird es kein Finish geben, insbesondere wegen der beiden Anstiege, der Hitze und dem profilierten Lauf. Die folgenden 30km waren dann kein Spaß... von mehr als: heiß, steil, schlapp und Pausengedanken möchte ich nicht berichten ;-)

 

Die Kulisse, das Rennen selbst (ist schließlich WM...), die anderen Athleten und die Aussicht auf das Finish, egal in welcher Zeit, hielten alles am Leben. Glücklicherweise haben die Gels dann und für den letzten Anstieg zum Snow Canyon (endlich) gewirkt und es fuhr sich für mich zwar nicht toll aber ok. Die Abfahrten mit Geschwindigkeiten von fast 80 km/h waren wegen des ordentlichen Seitenwindes teilweise gefährlich, Konzentration, Lenker gut halten und das Rad mit den Knien fixieren, um dann den letzten Anstieg zu fahren: Snow Canyon. Zumindest landschaftlich ist er ein Highlight mit den verschiedenen Farbkombinationen der Gesteine, triathlontechnisch dagegen eine Herausforderung mit teils steilen Abschnitten nach schon 160km in den Beinen. Naja, ging irgendwie und jedenfalls deutlich besser als beim ersten langen Anstieg und die Abfahrt nach St. George war neben der landschaftlichen Attraktion die weitere Belohnung... Insgesamt waren es 2.300 Höhenmeter. 

 

Schöner Service dann in T2: das Rad wurde uns direkt nach dem Absteigen abgenommen und es ging direkt in den Wechsel und dann raus in die Hitze mit 32 Grad ohne Schatten auf den Marathon und ich war schon gut schlapp. Mir war klar, dass er sehr lange dauern wird. Egal. Das Streckenprofil war ^^. , also 4,5km hoch, 5,5km runter, 5,5km hoch, 4,5 runter, 1km flach und das Ganze noch mal...insgesamt 450 Höhenmeter. Naja und so lief es sich dann auch... schlecht. Bis km 8 oder so war es noch laufen, danach, insbesondere bergan, bin ich dann schön durch die Neighborhoods von St. George geschlendert, hab mich anderen Leidensgenossen unterhalten, ausgiebig die Verpflegungsstationen genutzt, mich dort mit Wasser gekühlt und versucht, irgendwie Energie zu ziehen. Es zog sich lang und zäh und heiß. Das Laufen war teilweise eine kürzere Abwechslung zum Gehen. Naja, jeder Schritt zählt und Aufgeben zählt nicht. Am letzten Berg nach über 5 Stunden (oje) angekommen, konnte ich die letzten 5km fast vollständig durchlaufen und hab mir so - wie zwischenzeitlich vorgenommen - einen versöhnlichen Abschluss mit der "üblen" Laufstrecke gemacht. Die letzten Meter und das Ziel waren dann in der tollen Kulisse im Stadtzentrum und im Tribünenbereich voll Erleichterung, Freude, Stolz, Erschöpfung und Emotion. Für meinen obligatorischen "Sprung auf der Ziellinie an den Zielbogen" hat es jedenfalls noch locker gereicht ;-)

 

 

Was kann ich sagen? Zeiten und Werte sind egal, es war ein harter und intensiver Tag und nochmal brauch ich das so nicht. Anstrengung, Muskelschmerzen und Sonnenbrand vergehen, doch was bleibt (und das für immer) sind "5E", unvergessliche Eindrücke, Erlebnisse, Erinnerungen, Erfahrungen und Emotionen. Dafür hat es sich zu 100%+ gelohnt. Ich bin sehr zufrieden, froh, dankbar und stolz, anständig, gesund und schadlos der Hitze getrotzt und durchgekommen zu sein und vor, während und nach der WM mit so vielen anderen Athleten und Profis aus vielen Ländern gesprochen zu haben, was so ein für mich neues Kapitel Triathlonmiteinander und -leidenschaft bedeutet. Danke IRONMAN, danke Triathlon, danke an alle, die an mich gedacht oder verfolgt haben und/oder live am TV oder zusammen in unserem kleinen Vereins-Event mit/von Christoph in der MBS-Arena das Rennen geschaut haben. 

 

Sportlichste Grüße aus Utah und bis bald

Rayk