Foto: Reinhardt Engert
Text: Reinhardt Engert
Reinhardt Engert vom SV Stahl Hennigsdorf kehrt mit dem Weltmeistertitel im Winter-Duathlon und der Bronzemedaille im Winter-Triathlon aus Italien zurück.
Zunächst sollte es nach Aussage der ITU 2024 keine EM und WM im Winter geben. Norwegen, das nach 2023 zum Hotspot werden und auch in diesem Jahr Ausrichter der Winterspiele sein sollte, sagte ab, um sich voll auf die Olympiade in Paris zu konzentrieren. Für den Hennigsdorfer also kein Grund, sich langfristig auf dieses Event vorzubereiten. Kurzfristig änderte sich alles, als die Italiener einsprangen und sich die WM nach Pragelato/Siestiere im Piemont holten. Das war der historische Ort im höchsten Teil der italienischen Westalpen im Dreiländereck Italien, Frankreich Schweiz, wo schon die Olympischen Winterspiele Torino 2006 stattfanden. Also eine Herausforderung sonders gleichen, denn dort erwartete die Athleten Olympisches Terrain höchsten Schwierigkeitsgrades. Der Austragungsort der Wettkämpfe lag auf 1 600 m Meereshöhe. Für einen Flachländer schon anstrengend genug, sich da überhaupt nur sportlich zu bewegen und Engert hatte kurzfristig keine Möglichkeiten, sich auf Ski oder Mountainbike vorzubereiten. Zusätzlich war das Programm bei den Amateuren auf 2 Tage zusammengeschrumpft, so dass zwischen beiden Wettkämpfen gerade mal 18 Stunden Regenerationszeit lagen. Aus diesem Grunde entschieden sich viele nur auf einen Start. Für Engert kein Thema. „Wenn ich schon mal die Chance habe, auf Olympiastrecken zu starten, dann auch in beiden Rennen“, so seine Aussage.
Bei der Anreise war am Olympiastützpunkt von Schnee nicht viel zu sehen. Die Sprungschanzen waren schneefrei und auf den Langlaufloipen zog sich nur ein schmaler Streifen aus Kunstschnee durch die Berge. Das änderte sich in der Nacht vor dem Duathlon, Laufen und Skaten auf dem Ski, schlagartig. Mit 8 cm Neuschnee konnte die Strecke wettkampfgetreu präpariert werden. Da es auf dem 6 km langen Run-Kurs mehrfach unter dem Neuschnee vereiste Stellen gab, lief Engert in Spikes mit langen Nägeln. Er hatte sich das am Vorabend genau angesehen. Trotzdem waren die Italiener Paolo Bartolozzi und Marco Cravini vom Start, der pro Runde1 km nur hoch ging, gleich nach vorne weg. Das waren Bergläufer aus dem Hochgebirge. Auf der anderen Seite am Bach ging es wieder 1 km nach unten über teilweise Geröll- und Gesteinsflächen. Die Italiener waren auch dort schnell unterwegs und Engert lag auf dem 3. Rang. Aber noch waren 2 Runden zu laufen. In der letzten Runde konnte, konnte Engert an Cravini verbeilaufen und auf Position 2 auf die Ski wechseln. Bartolozzi hatte inzwischen 2:17 Minuten Vorsprung und beide hatten gleich schnell gewechselt. Die Skistrecke betrug 10 km zu 5 Runden a 2 km. Engert mußte jetzt mit hohem Risiko Vollgas geben und in den kurvigen Abfahrten in der vereisten Spur bleiben, die wesentlich schneller war als der Skating Hang. Dadurch hatte er mehr Speed für den nächsten knackigen Anstieg. Der Neuschnee war inzwischen abgefahren und immer wieder kam der Kunstschnee durch, der alles noch schwieriger machte. In Runde 3 kam der führende Italiener in Sichtweite und der Hennigsdorfer konnte ab Runde 4 die Spitzenposition einnehmen. Das hielt bis ins Ziel, und Engert konnte seinen 1. Weltmeistertitel im Winterduathlon feiern.
Nach Bronze in Andorra und Silber in Norwegen hatte er jetzt den kompletten Medaillensatz im Besitz. Pastaparty, Siegerehrung im Dunklen, Materialvorbereitung im Schnelldurchgang und Schlafen waren die nächsten Aktionen.
Aus erholsamen Schlaf wurde allerdings nicht viel, denn die Temperaturen sanken rasant in der Nacht extrem schnell bis auf brutale -18 Grad Celsius. Das Frühstück war knochenhart vereist. Der Wasserkanister wurde zum Eisklumpen und der Joghurt war tiefgefroren. Die Lage entspannte sich erst, als die ersten Sonnenstrahlen über die Bergkuppen blinzelten. Trotzdem bleib es zum Start noch sehr kalt und eisig. Engert musste gegen ausgeruhte Konkurrenz antreten, die den Duathlon ausgelassen hatten. Der Italiener Ciancarlo Pittoni machte mit einem Blitzstart sofort klar, daß er hier bei der Medaillenvergabe dabei sein wollte. Engert ging mir schweren Beinen, vom Vortag geprägt, ins Rennen. Zu laufen waren 5 km zu je 2 Runden. Wieder ging es 1,25 km nur nach oben. Pittoni hatte beim Wechsel auf´s Rad schon 55 Sekunden Vorsprung. Engert blieb aber in den Spikes und holte dadurch 20 Sekunden auf. Die Radstrecke war 9 km lang zu je 3 Runden und sehr schwierig zu fahren. Am Südhang Schneematsch, Schlamm, bucklige Trails und hügelige glatte, schräge Grasflächen. Auf der anderen Seite im Schatten der Berge vereister Untergrund und in den Kurven tiefe eingefahrene Rillen. Engert verlor hier fast 13 Minuten gegen den Italiener, hatte aber noch genügen Vorsprung auf den Esten Anti Oat, der aber auch schon Boden gut gemacht hatte. Der Wechsel auf die letzten 10 km Ski erfolgte auf Position 2. Der Kurs war bekannt vom Vortag und der Wachs passte auch. Aber in Runde 4 zeigten sich starke Krämpfe in der Oberschenkelmuskulatur am Steilanstieg, wo stark gegrätscht werden musste. Oat, schon Weltmeister 2016 in Otepää/Estland und 2018 in Ceile Gradistei/Rumänien ging vorbei. Engert blieb aber dran und konnte Eingangs der letzten Runde nochmals kontern. Oat ruhte sich im Windschatten aus und ging am letzten Anstieg erneut in Führung. Wieder starke Schmerzen in den Oberschenkeln. Oat war nicht mehr einzuholen. Engert gewann Bronze mit 1:33 Minuten Rückstand auf den Esten und war nach 2:18:11 Stunden Schwerstarbeit froh, im Ziel zu sein.
Das Deutsche Team konnte als zweitstärkste Mannschaft hinter den Italienern mit 14 x Edelmetall das Ergebnis vom Vorjahr in Norwegen nochmals um 2 Podiumsplätze toppen. Die beiden Elitestarter liefen 5 x in die Top Ten. Nach dem Ausschluss der Russen sind die Italiener wieder das Maß aller Dinge und fuhren in fast allen Kategorien auf ´s Podium.
Reinhardt Engert feiert außerdem 2024 sein 20- jähriges Jubiläum. Er blickt zurück auf 2 Jahrzehnte aktiven Wettkampfgeschehens. Mit mehr als 40 Starts, über
20 mal Podium und 5 Siegen ist er der weltweit erfolgreichste Wintertriathlet seiner Altersklasse.